Ich lese hier in den Foren nur Beiträge zu den neuesten Plastikbombern, die gerade auf dem Markt aktuell sind. Immer höher, weiter, besser und mit noch einem elektronischen Schmankerl. Mein Freund hat mir gestern seine Sammlung alter mechanischer Kameras gezeigt, 50 Jahre alt und noch älter und ohne Batterie und mit Fotozellen zur Lichtmessung. Er selbst fotografiert gar nicht, erfreut sich aber an den alten Kunstwerken der Feinmechanik. Eine uralte Vogtländer, Minolta, Rolleiflex und so weiter aus glänzendem Metall sieht einfach toll aus und ich denke, ein versierter Fotograf, der sein Instrument genau kennt, macht sicherlich auch damit Fotos, die dem Vergleich mit Fotos heutiger Kameras durchaus standhalten können. Er muss nur alles aufgrund seiner Erfahrung selbst einstellen und weil Filme teuer sind, muss er sich genau vorher überlegen, ob und wie er etwas fotografiert. Was die Ingenieure damals sich haben einfallen lassen, bezüglich Spann-, Dreh- und Klapptechnik, das ist schon bemerkenswert. Mit dabei war auch eine Kamera mit Lichtschacht und aufsetzbarem Sucher und ausklappbarer Lupe. Das ist doch toll.
Ein schön plakativer Rundumschlag, aber viel zu pauschal und in Summe mehr falsch als richtig.
Plastikbomber gibt es seit den 70er Jahren, auch Kameras mit vermeintlich traditionellem Design haben massiven Kunststoffanteil am Gehäuse. Heute dagegen sind die Kameras großenteils schwarz "eingehüllt", haben aber sehr wohl ein Metallgehäuse, keineswegs nur eine Metallkarkasse. Die Gehäusewertigkeit hat gegenüber den 70er und insbesondere 80er Jahren deutlich zugenommen, was sicher auch am Entfall der unteren Preislagen liegt.
Und es waren (in deutlich unterschiedlicher Ausprägung je nach Hersteller) in den unteren Preislagen auch regelrechte Deppenkameras, die nur Programmautomatik konnten und keine Belichtungsdaten offenlegten. Man konnte somit auch nichts lernen. Das gab es durchaus auch noch in der Kombination mit manuellem Fokus, z. B. die Canon T50 dürfte wohl einer der übelsten Vertreter dieser Kategorie sein. Nur Programmautomatik, keine Belichtungsdaten im Sucher, Motor, manueller Fokus und noch nicht mal TTI-Blitzsteuerung (damals ein absurder Anachronismus bei Canon). Das hat sich so technisch verbessert und somit schlüssiger bis ins AF-Zeitalter geschleppt. Und ausgerechnet Canon hat dann die Periode der Deppenkameras beendet, in Form der EOS 1000. Da hat wahrscheinlich mal jemand nachgerechnet, dass man mit dem Vorenthalten von Optionen und Informationen nichts nennenswert spart, aber beim Kunden punkten kann, wenn man alles möglich macht. Und seitdem machen das alle so, und so ging es dann auch ins Digitalzeitalter. Zumindest gegenüber dem Massenmarkt vor 30 bis 40 Jahren steht man heute wesentlich besser informiert und weniger bevormundet da.
Fotografieren und technisches Interesse an aktueller Fototechnik und technisches Interesse an historischer Fototechnik sind drei verschiedene Themen. Jeder kann sich beschäftigen, womit er lustig ist, und trotzdem ist es besser, sich bewusst zu sein, wo man gerade ist. Dieses Forum deckt begrenzt den ersten Punkt, sehr gut den zweiten Punkt und praktisch gar nicht den dritten Punkt ab. Ich hatte mich nach jahrelanger Aktivität vor etlichen Jahren aus diesem Forum zurückgezogen, weil neue Fototechnik weniger wichtig wurde. Aber ich habe immer fotografiert. Wenn man eine Nikon D850 hat, juckt es einen halt nur begrenzt, was es sonst noch gibt. Es steht jedem frei, seine ausgediente Kamera in einer Form von Respekt (eher Sentimentalität) in die Vitrine zu stellen, auch wenn sie nicht im Sammlerzustand ist. Man mag sie aus ähnlicher Motivation auch mal reaktivieren. Man kann auch Kameras sammeln, also Kameras ohne persönlichen Bezug für Vitrinenzwecke anschaffen. Und auch die kann man gelegentlich benutzen.
Man sollte sich aber davor hüten, den mitunter etwas komplexeren Ablauf für höherwertig zu halten. Es ist eher andersrum: Je mehr man sich mit der Fototechnik abgeben muss, um so weniger Aufmerksamkeit bleibt fürs Motiv. Mich erinnert das an einen eher trolligen Benutzer in den ersten Jahren dieses Forums, der im Zuge des 5D-Hypes allen Ernstes meinte darstellen zu müssen, dass und warum man mit Vollformat bewusster und besser fotografiert., ganz jenseits der technischen Aspekte. Die beste Kamera ist also die, die genau das macht, was ich will und was ich für optimal fürs Motiv halte, und das mit möglichst wenig Aufwand und Beachtung der Fototechnik durch mich. Ich bevorzuge hinsichtlich alter Technik die Freude am Ansehen, aber das Fotografieren bleibt davon unberührt.
Was den Respekt betrifft, verdient die Technik eigentlich den wenigsten. Irgendwann lernt man auch Respekt gegenüber Fotogelegenheiten, die sich nicht wiederholen, Respekt vor dem Zeitaufwand, den man hat, um bestimmte Fotos machen zu können und damit auch den Respekt vor der eigenen begrenzten Lebenszeit. Dazu gehört dann auch, dass man an der Fototechnik nicht mehr spart, als man es muss, und auch, dass man sich nicht aus falsch verstandener Bescheidenheit mit weniger geeignetem Gerät rumschlägt.